Diagnose: Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (und noch ein paar andere kleinere Baustellen) Im 5. Schwangerschaftsmonat haben wir bei Dr. Klapp (Feindiagnostiker Heidelberg) erfahren, dass unser Sohn einen Herzfehler hat. Wie ausgeprägt er sein wird, konnte niemand uns sagen. Die Sorge um unser ungeborenes Kind ließ uns nicht mehr los. Regelmäßige Kontrollen in der Kinderklinik Heidelberg standen ab nun auf unserem Terminplan. Zuerst wollten wir es glaube ich gar nicht wahr haben. Fragen nach dem „Warum“ plagten uns in der Anfangszeit sehr. Wir kannten niemanden, der ein herzkrankes Kind hat und haben uns dann auch gemeinsam in der Schwangerschaft dazu entschieden, die letzten Wochen uns so wenig wie möglich verrückt zu machen. Wir haben weder im Internet recherchiert noch Selbsthilfevereine aufgesucht. Heute glaube ich, dass wir immer noch einen Funken Hoffnung hatten, dass es vielleicht eine falsche Diagnose war oder es sich doch noch irgendwie anders entwickelt. Ab dem 7. Monat ist Jayden leider nur noch sehr langsam gewachsen. Die Ärzte hofften darauf, dass Jayden bis zu seiner Geburt wenigstens 2000g wiegen würde. Am 07.08.2009 war es dann soweit. Der Tag an dem wir endlich unser kleines Wunder im Arm halten konnten war gekommen. Da niemand genau wusste in welcher körperlichen Verfassung er auf die Welt kommt, war bei dem Kaiserschnitt bereits ein Kinderkardiologe dabei. Wir fühlten uns sehr gut aufgehoben, doch was jetzt auf ihn und uns zukommen würde, konnten wir nicht wissen. Leider verlief nicht alles nach Plan. Jayden musste sofort nach der Geburt von der Frauenklinik auf die Intensivstation H3 der Alten Kinderklinik verlegt werden. Ich musste schweren Herzens in der Frauenklinik bleiben, doch der Papa ist natürlich gleich hinterher gefahren um den kleinen Prinzen zu zeigen, dass wir für ihn da sind. Es war schrecklich für mich, mein Kind nicht in den Arm nehmen zu können, ihm das Gefühl von Liebe und Geborgenheit zu geben, ihn zu beschützen. Nach einer schlaflosen Nacht war endlich der Moment gekommen, wo ich unseren Sohn sehen konnte. Er war so ein kleines, wunderschönes Geschöpf, überall diese Schläuche und Geräte, hier und da ein Piepen. Ich habe furchtbar angefangen zu weinen. Er hat so friedlich geschlafen und sah so zufrieden aus. Das war der Moment an dem ich realisierte, dass das alles kein Traum ist sondern die Wirklichkeit. Auf Station wurden wir sehr freundlich empfangen, auch ein Arzt war sofort da, um uns all unsere Fragen zu beantworten. Ohne das Pflegeteam der H3 hätten wir als Eltern die 10 Wochen Intensivstation nicht überstanden. All meine nächtlichen Anrufe, Heulanfälle und tausende Fragen, haben sie immer mit Geduld beantwortet und uns immer aufgebaut. Mit 5 Tagen hat Jayden seine erste Herzkatheteruntersuchung gehabt. Mit 10 Tagen und 2040g die erste OP durch Dr. Loukanov (Kinderherzchirurg) Eröffnung der Pulmonalklappen. Dieser Arzt ist einfach ein Genie! Der Kinderherzchirurg unseres Vertrauens, der uns ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit gegeben hat. Es ist ein schreckliches Gefühl sein Kind abzugeben und einfach nichts machen zu können außer hoffen und warten. Stunden, die sich wie Tage anfühlten. Dr. Loukanov war schneller fertig als wir dachten, er rief uns noch aus dem OP an, um uns zu sagen, dass Jayden alles gut überstanden hat. Eine schwere Last fiel nach dieser Aussage von uns. Auf Station konnten wir endlich wieder zu unserem Engel. Bilder, die wir nie im Leben vergessen werden. Ich glaube, als ich das sah, war ich kurz davor zusammenzubrechen. Zum Glück gab es die Ärzte, Schwestern und Pfleger der H3 (jetzt K Intensiv) die uns wirklich in jeder Situation aufgefangen und aus jedem tiefen Loch immer wieder rausgezogen haben. Es begannen Wochen des Wartens. Jeder Tag war ein Auf und Ab. Es ging ihm 1 Tag gut und 3 wieder schlecht. Wir sind wirklich an unsere Grenzen gekommen. Ich hatte die Befürchtung, dass mir alles entgleitet. Unser erstgeborener Sohn kam in dieser Zeit viel zu kurz, obwohl immer einer von uns da war. Ich fühlte mich schlecht, wenig Zeit für den Großen zu haben und natürlich schlecht, wenn ich nicht bei dem Kleinen sein konnte. Eine Zerreißprobe die uns wirklich an den Rand unserer Kräfte brachte. Nach 10 Wochen Intensivstation wurden wir endlich mit unserem Kind entlassen. Sauerstoffbrille, Pulsoxymeter (Monitor) und Medikamente bestimmten von nun an unseren Tagesablauf. Das erste Jahr war wirklich schwer. Jayden entwickelte sich nicht richtig, hat viel geweint, wenig zugenommen, viele Wassereinlagerungen, viele Therapien, viele Infekte, Krankenhausaufenthalte all das stellte unser Leben wirklich auf den Kopf. Ich glaube, am schlimmsten war es für seinen großen Bruder. Plötzlich nicht mehr der alleinige Mittelpunkt bei Mama und Papa zu sein und zu sehen wie oft Mama weint und traurig ist. Heute reden wir immer noch über die Zeit damals, weil es einfach eine Zeit war, die unser ganzes Leben veränderte und bereicherte. Wir leben heute ganz anders als Familie zusammen, sehen viele Situationen deutlich entspannter, weil wir für jeden Tag dankbar sind an dem es uns allen gut geht und wir zusammen sind. Recht schnell in seinem ersten Lebensjahr stellten wir bei ihm halbseitige Lähmungserscheinungen fest, die die ganze Situation für ihn nicht gerade vereinfachten. Später stellte sich heraus, dass seine Lähmungserscheinungen aufgrund einer vorgeburtlichen Kleinhirnschädigung hervorgerufen wurden. Als Jayden zwei Jahre alt war stand die 2.Op an. Natürlich wurde Jayden vom Arzt unseres Vertrauens wieder operiert. Auch hier haben Dr. Loukanov und sein Team, genauso wie alle von der H3 hervorragende Arbeit geleistet. Nach 3 Wochen Klinikaufenthalt konnten wir wieder nach Hause. Unser Sohn, der unglaubliche Sättigungswerte von 97% auf den Bildschirm des Pulsoxymeters zauberte, sah zum ersten Mal nicht mehr aus wie ein krankes Kind. Er hatte rosige Lippen und keine blauen Nägel mehr. Ein unglaubliches Glücksgefühl kam über uns und wir hofften, dass jetzt endlich alles etwas leichter wird für ihn und auch für uns. Nach dieser OP ging es Jayden wirklich deutlich besser. Krabbeln und laufen hat er gelernt trotz seiner Hemiparese (Lähmungserscheinung). Daran hat glaube ich keiner mehr geglaubt außer ich. Wir hatten auf einmal ein fröhliches und glückliches Kind, das nicht mehr ständig weinte und unzufrieden war. Das wirkte sich auf uns alle aus. Wir waren so dankbar und glücklich, dass es unserem Herzchen besser geht und somit der ganzen Familie. Nach 6 Monaten musste unser unglaublich tapferer und starker Kämpfer wieder in die Klinik zu seiner 3.HerzOP. Glenn-OP stand auf unserem Fahrplan (Umlegung des oberen Blutkreislaufes) Wieder hat Dr. Loukanov alles gegeben um unserem Sohn seine Lebensqualität zu verbessern und hat es auch geschafft. 10 Tage nach der OP (23.12.11) wurden wir unglaublicher Weise noch pünktlich vor Weihnachten entlassen. Das war auch eine sehr schwere Zeit für die ganze Familie, da wir gerade umgezogen, ich mit dem 3. Kind schwanger und mein Mann durch seine Selbstständigkeit sehr eingebunden war. Für unseren Großen hieß das mal wieder für unbestimmte Zeit bei Oma und Opa einzuziehen. Doch unser Kämpfer hat es einfach super gemacht, wir sind so stolz auf ihn und waren sehr schnell alle wieder vereint. Neu war für uns, dass unser Sohn jetzt Marcumar nehmen musste, was natürlich einige Risiken mit sich bringt. Dr. Vogelsang hat mich aber wirklich so gut geschult, dass ich viele meiner Ängste die man aus Erzählungen von anderen kennt, ablegen konnte. Jayden machte ab dieser Entlassung täglich Fortschritte. Sprechen lernen, Essen lernen, draußen spielen, Bobby-Car fahren, Laufrad fahren und das größte aller Ereignisse: Er kam als Teilzeit-Kind (mit Eingliederungshilfe) in einen Regelkindergarten, trotz seiner körperlichen Einschränkungen. Auch schnell hatte er sich daran gewöhnt, dass Mama ihm nun täglich in den Finger piksen muss um seinen Blutgerinnungswert festzustellen. Von da an überrannten uns die Entwicklungsfortschritte. Alle Ärzte und Therapeuten waren so zufrieden mit ihm und sind es heute noch. Mittlerweile ist Jayden schon fast eine ganz Hand voll Jahre alt und es geht ihm super. Selbstverständlich ist sein Leben „anders“ als das von gesunden Kindern. Da steht nicht nur auf dem Wochenplan Kinderarzt, Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie und Schwimmen drauf. Bei vielen Sachen braucht er auch noch Hilfe (anziehen, Toilettengang, Treppen steigen, Essen, Rucksack öffnen und schließen, usw.) aber es ist unbeschreiblich zu sehen, wie viel Lebensfreude er ausstrahlt. Er ist sooooo fröhlich und glücklich, dass ich dankbar bin, dass er sich nicht mehr an die schlimmen Zeiten vollständig erinnern kann. Sein 2. Zuhause ist nun mal das Krankenhaus und da kann es auch vorkommen, dass man in die Kardiologie zur Kontrolle muss und ein weinendes Kind auf dem Arm hat, weil es nicht da schlafen darf sondern wieder nach Hause soll. Die Ärzte, Schwestern und Pfleger sind für uns nicht Mitarbeiter der Klinik sondern Freunde, die uns immer in unseren schwersten Zeiten mit zur Seite standen und Mut machten. Unseren Dank dafür können wir gar nicht ausdrücken. Wir sind durch Jayden und seine Erkrankungen als Familie noch näher zusammengerückt und wissen vieles mehr zu schätzen als früher. Die Frage nach dem „Warum“ stellen wir uns schon lange nicht mehr, weil wir wissen: Besondere Kinder brauchen besondere Eltern die besondere Situationen meistern können….
Nur noch ganz kurz:
Das ist nur ein Bruchteil unserer Geschichte. Herzkatheteruntersuchungen, die im schlimmsten Fall auch mal auf der Intensivstation endeten, Lungenentzündungen, RS-Virus, INR- Entgleisungen, Streit mit Krankenkasse oder Sanitätshäusern, ungeklärte plötzliche komplette Steifheit in der rechten Körperhälfte, und noch vieles mehr könnte ich schreiben über die Geschichte unseres Sohnes. Da würde wahrscheinlich ein ganzes Buch zusammen kommen.
Ich werde jetzt aber raus in den Garten gehen und unseren 3 Kindern dabei zusehen, wie sie Laufrad und Roller fahren, denn das macht mich glücklich.
Frances Rupp (Mama von Jayden Bader)